Richtig bewerben: Antipathie im Vorstellungsgespräch – was nun?
In meiner Blog-Rubrik „Richtig bewerben“ erhalten Sie verschiedenste Tipps zur Jobsuche, angefangen von der Erstellung überzeugender Bewerbungsunterlagen bis hin zum Verhalten im Vorstellungsgespräch oder im Assessment Center.
Vor einigen Wochen rief mich ein Kunde an. Wir hatten gemeinsam für ein Vorstellungsgespräch geübt und er berichtete mir nun, was er erlebt hatte:
„Frau Südmeyer, das Aufgabengebiet ist genau das, wovon ich immer geträumt habe. Also wenn sich das genau so ergeben würde, wäre das ein Sechser im Lotto. Aber soll ich Ihnen was sagen – ich finde meinen potenziellen Vorgesetzten einfach total unsympathisch, wir kommen bestimmt nicht gut zusammen klar! Und jetzt habe ich heute einen Anruf bekommen, dass ich in der nächsten Runde bin, was mache ich denn jetzt?“
Ja, was nun?!
Vielleicht haben Sie Vergleichbares auch schon mal in einer Bewerbungssituation erlebt. Bestimmte Facetten des potenziellen neuen Jobs scheinen total positiv zu sein, bei anderen haben Sie spontan ein Störgefühl, irgendwas grummelt und ist nicht stimmig. Aufgabengebiet klasse, die Gesprächspartner:innen eher weniger sympathisch oder umgekehrt – mit den Interviewpartner:innen scheinen Sie auf „einer Welle“, das Aufgabengebiet aber las sich in der Stellenbeschreibung viel spannender, als es Ihnen im Austausch näher gebracht wurde.
Wie kann man das auflösen und eine für sich stimmige Vorgehensweise ableiten?
Zunächst einmal finde ich in der Gesamtschau wichtig, Ruhe in die Situation zu bringen. Ein einziges Gespräch ist noch nicht entscheidend – erster Eindruck hin oder her – der potenzielle Vorgesetzte kann ggf. einen schlechten Tag gehabt haben und sich nicht von seiner besten Seite präsentiert haben.
Zudem ist von einem ersten Gespräch noch kein Vertrag unterzeichnet und die Zukunft besiegelt. In den meisten Fällen gibt es ein weiteres Gespräch mit dem nächsthöheren Vorgesetzten, also noch eine zweite Möglichkeit, auch den potenziellen direkten Vorgesetzten ein weiteres Mal zu erleben. Der Ausgang danach ist dann erstmal wieder offen und ermöglicht Ihnen, in Ruhe ein Fazit zu ziehen.
Wie sind der Kunde und ich im Austausch weiter vorgegangen? Wir haben uns am Folgetag online getroffen (bis dahin konnte der Kunde eine Nacht darüber schlafen und das Erlebte verdauen).
- Zunächst haben wir die Gesprächssituation „seziert“ und analysiert, an welchen Aussagen und Verhaltensweisen er festmacht, dass ihm der potenzielle Vorgesetzte nicht sympathisch ist.
- Aus der bisherigen Zusammenarbeit lag uns eine Checkliste mit Punkten vor, die für den Kunden im Falle eine Jobwechsels erfüllt sein müssen. Diese Liste sind wir durchgegangen und haben jeden Punkt „auf Herz und Nieren“ mit dem Gespräch abgeglichen.
- Auch anhand von Skalierungsfragen haben wir uns mit der SItuation auseinandergesetzt, z. B.
- „Auf einer Skala von 1 bis 10 – wie wichtig ist Ihnen eine gute Wellenlänge mit Ihrem Vorgesetzten?“
- „Auf einer Skala von 1 bis 10 – wieviel Einfluss wird Ihrer Meinung nach Ihr Vorgesetzter auf Ihren Erfolg in dem neuen Job haben?“
- „Auf einer Skala von 1 bis 10 – wie gewichtig ist Ihre gefühlte Antipathie für Ihre Jobentscheidung, wenn wir jetzt einmal annehmen, dass Sie eine Zusage erhalten?“
- Darüber hinaus haben wir visualisiert, welche Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken aktuell für den Kunden mit dieser Bewerbungssituation bzw. der ausgeschriebenen Stelle verbunden sind.
Alle Gedanken „raus aus dem Kopf, rauf aufs Papier“ zu bringen, ist für mich immer wieder faszinierend. Auf diese Weise erhält man einen guten Überblick über Zahlen, Daten, Fakten.
Doch dann ist für mich im weiteren Prozess entscheidend, dass auch das Bauchgefühl eingebunden wird, z. B. durch folgende Betrachtungen:
- Wenn jetzt alle Fakten so vor Ihnen liegen und Sie sollen sich spontan entscheiden, wie fällt Ihre Entscheidung aus?
- Wenn Ihnen in dieser Situation eine gute Fee helfen würde – was würden Sie sich von ihr wünschen?
- Bei welchem nächsten kleinen Schritt hätten Sie nichts zu verlieren?
- Was bräuchte es jetzt noch, um mit gutem Gefühl den nächsten Schritt zu gehen?
- Was würde im schlimmsten Fall passieren, wenn Sie sich für … entscheiden?
Gibt es eine Patentlösung für diese Situation?
Definitiv nicht! Denn wir Menschen sind ja alle sooo unterschiedlich, was auch hinsichtlich der motivationalen Aspekte gilt. Hier ein paar Beispiele:
- Für Person A ist es am wichtigsten, dass das Umfeld sympathisch ist, d. h. dass ein Team gut zusammenarbeitet, man füreinander da ist. Das Aufgabengebiet ist eher nebensächlich für Person A.
- Person B ist aufgabenorientiert und stellt fachliche Belange über alles – man wird sich zwischenmenschlich schon irgendwie arrangieren.
- Person C sagt, dass ihr der Teamzusammenhalt egal ist, sie will Karriere machen und wird irgendwie mit jeder Führungskraft klarkommen, weil diese das „Sprungbrett nach oben“ darstellt.
Je nachdem, was Sie im Job benötigen um sich richtig wohl zu fühlen, haben Sie eine bestimmte Entscheidungsgrundlage – und sollten dabei aber nicht nur den Zahlen, Daten, Fakten Ihrer Analysen trauen – sprich: dem Verstand – sondern immer auch Ihr Bauchgefühl einbeziehen.
Wie hat sich der Kunde entschieden?
Mein Kunde hat an der zweiten Auswahlrunde teilgenommen und im Gespräch seine lange Frageliste „abgearbeitet“. Die Antworten lieferten ihm weitere interessante Puzzlestücke. Da er aber auch noch „ein anderes Eisen im Feuer hatte“, d. h. eine weitere Bewerbung laufen hatte, löste sich die Thematik mit dem Vorgesetzten sehr einfach: Nach einem tollen Bewerbungsverfahren bekam er hier sehr schnell eine Zusage und tritt in ein paar Wochen den neuen Job ab.
Übrigens: Im zweiten Gespräch war der Vorgesetzte für meinen Kunden gar nicht mehr so unsympathisch wie im ersten Aufschlag. Bei der Beantwortung der Fragen gab er sich wohl sehr viel Mühe: Mein Kunde berichtete, dass dies trotzdem nicht für einen gemeinsamen Arbeitsalltag gereicht hätte und er sich weiterhin beworben hätte, wenn nicht das Bewerbungsverfahren in dem anderen Unternehmen so positiv verlaufen wäre…
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