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Immer (mal) wieder sonntags … lesen Sie in meinem Blog die Management-Spitzen

Der heutige Beitrag ist von Julie Richter. Sie hat langjährige Berufserfahrung als Personalleiterin und lebt heute als Personalberaterin in der Nähe von Berlin.

Johannes Pohl bietet einer Kollegin Unterstützung an und landet dabei in einem Fettnapf der besonderen Art: Management-Spitzen Nr. 20 – Im Schatten der Macht.

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Für Hermann

Johannes Pohl war das, was man einen alten Fahrensmann nannte. Er war schon seit fast 20 Jahren im Unternehmen, hatte es mit gestaltet und erlebt, wie es sich zu einem der erfolgreichsten seiner Branche entwickelte. Ihm machte so schnell niemand etwas vor. Er war beliebt bei den Kollegen wegen seiner Lebenserfahrung und Hilfsbereitschaft, er kannte Hinz und Kunz und zu den meisten auch die alten Geschichten. Wenn jemand ein scheinbar unlösbares Problem auf dem Tisch hatte, rief er Pohl an und der sagte dann oft: „Warte, da war doch mal…“ und fing an, in einem seiner vielen Ordner zu suchen. Die digitalisierte Welt war die seine nicht, aber das machte nichts, denn man schätzte vor allem seine berufliche Erfahrung und sein Netzwerk im Unternehmen Selbst die Führungskräfte vertrauten ihm und das war für einen Personaler schon etwas Besonderes.

Pohl war neben vielen anderen Bereichen auch für die Assistentinnen und Assistenten der Vorstände zuständig. Schon lange war ihm aufgefallen, dass beim großen Chef häufig schlechte Stimmung war, wenn er vorbei kam um dringende Themen zu besprechen. Die rauhe Stimme des CEO hörte man bereits auf dem Gang und was er sagte, klang nicht eben freundlich.

Eines Tages fasste Pohl sich ein Herz, das Mädel im Vorzimmer tat ihm leid. Er sprach die junge Frau an, die meist dort Dienst tat und sagte: „Ihr Chef scheint ja ein richtiger Kotzbrocken zu sein. Wenn Ihnen das mal alles zu viel ist, rufen Sie mich an. Ich lass‘ mir was einfallen und vermittele Sie ohne Aufschrei zu einem anderen Chef.“ Sie lächelte und drückte ihn am Arm. „Das ist wirklich sehr nett von Ihnen Herr Pohl. Ich melde mich, falls nötig.“

Drei Wochen später, Pohl hatte das Gespräch schon längst vergessen, macht ein Gerücht die Runde, das ihm den Atem verschlug. Er wollte es nicht glauben, rief da und dort an, aber schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren. Eben jener Vorstand hatte seine Assistentin geheiratet, die, mit der er gesprochen hatte. Ihm wurde schlecht und er beantragte erst mal eine Woche Urlaub.

Schließlich musste er zurück in die Firma. Kein Mensch hat ewig Urlaub, aber mulmig war ihm schon. Er fragte hier und da, ob man etwas gehört hatte, aber keiner verstand seine Nachfragen. Wieso interessierte Pohl diese Hochzeit? Er war erhaben über den Verdacht, irgendwie mit der Klatschpresse im Bunde zu stehen.

Eines Tages klingelte das Telefon. Er sah schon an der Nummer, dass es sich um eben jenes Vorstandsbüro handelte und überlegte kurz, sich zu verleugnen. Aber es half ja nichts. Die junge Ehefrau war am Apparat und meinte: „Ich weiß es zu schätzen, dass Sie mich vor ihm gewarnt haben. Möglicherweise muss ich irgendwann sogar auf Ihr Angebot zurückkommen.“

(Personen und Handlung sind frei erfunden.)

Management-Spitzen Nr. 20 – Im Schatten der Macht als PDF-Dokument