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Immer (mal) wieder sonntags … lesen Sie in meinem Blog die Management-Spitzen. Verfasst nicht nur von mir, sondern auch von verschiedenen Gastautoren.

Wenn ein Nougat-Riegel einem Geschäftsführer gefällt und der eigene Vorgesetzte nicht interveniert, kann es kurz vor einem Gleittag zu einem Missverständnis kommen. Heute in den Management-Spitzen Nr. 5: Das war wohl ein Missverständnis!

Kornelius Frey kam an diesem Donnerstagmorgen abgehetzt ins Büro. Wenn der Tag schon so startete, verhieß das meistens nichts Gutes. Seine zweijährige Tochter hatte über Nacht Fieber bekommen und konnte nicht in den Kindergarten gehen. Nur gut, dass die Nachbarin als bewährte Notfall-Unterstützung zur Stelle war und der Kleinen gern Gesellschaft leistete. Das Ende dieser ereignisreichen Woche war zum Glück in greifbarer Nähe, denn morgen hatten er und seine Frau Gleittage eingetragen und freuten sich auf ein langes Wochenende.

Doch bis dahin galt es noch einiges zu erledigen. Hoffentlich hatte sein Chef, Marius Grimm, diesen Gleittag auf dem Radar. Im gestrigen Teammeeting hatte Kornelius Frey vorsorglich noch mal auf den freien Tag hingewiesen. Doch bei Marius Grimm musste man wirklich mit allem rechnen. Und das trug nicht gerade zu einer entspannten Stimmung im Team bei. Klare und verbindliche Kommunikation war noch nie seine Stärke gewesen. Warum auch, konnte er sich doch in verworrenen Situationen gut herausreden. „Oh, das war wohl ein Missverständnis!“ Dieser Satz war im Team schon zum geflügelten Wort geworden. Verbunden mit der Situation, in der Marius Grimm an einem Freitag gegen 14 Uhr bei Kornelius Frey am Schreibtisch erschien und sagte: „ Sie sind ja um 15 Uhr in der Veranstaltung für Trainees und stellen unsere aktuelle Werbekampagne für den Nougatriegel vor. Schicken Sie mir doch bitte danach kurz eine Mail, wie es gelaufen ist, ja?“ Äh, Veranstaltung? Gleich? Werbekampagne vorstellen? Diesen Termin wollte Marius Grimm doch persönlich übernehmen! Hatte er seinerzeit im Teammeeting entschieden. „Um mal wieder Kontakt mit den Nachwuchskräften zu haben“, wie er ausführte. Dieser Entschluss stand zwar für alle nachlesbar im Ergebnisprotokoll des Teammeetings, doch als Kornelius Frey erwiderte, dass er, Grimm, das doch übernehmen wollte, erwiderte dieser nur „Oh, das muss ein Missverständnis gewesen sein, ich bin gleich außer Haus, habe noch einen unaufschiebbaren privaten Termin. Sie machen das schon! Sie kennen sich ja aus, ist ja Ihre Kampagne.“ Dabei hatten sie beide ja gerade ein paar Tage zuvor noch zusammengesessen, um die Präsentation durchzusprechen … Da Kornelius Frey der für die Nougatriegel-Werbekampagne verantwortliche Ansprechpartner in der Marketingabteilung war, waren die Teilnahme an der Trainee-Veranstaltung und die Präsentation kein Ding. Es ging vielmehr ums Prinzip und um Außendarstellung. Schließlich war Marius Grimm den Trainees angekündigt.

Aber das alles konnte Kornelius Frey morgen zum Glück nicht passieren, denn er hatte einen schon lange eingetragenen und von Marius Grimm genehmigten Gleittag und würde mit seiner Familie zum 70. Geburtstag seines Schwiegervaters nach Hamburg fahren. Komme, was da wolle. Den Donnerstag verbrachte er mit Meetings, Telefonaten und Themenübergabe an seine Vertretung für den Freitag, Lena-Marie Waldheim. Obwohl der Tag so chaotisch begonnen hatte, schien sich das nicht fortzusetzen. Ihm ging alles gut von der Hand, Lena-Marie und er waren ein eingespieltes Team, sodass auch die Übergabe schnell erledigt war.

Um kurz vor 18 Uhr stellte Kornelius Frey seinen Abwesenheitsassistenten ein und das Telefon auf Lena-Marie Waldheim um. Marius Grimm, den er nur heute Vormittag kurz gesehen hatte, kam mit einem Stapel Papier auf ihn zu. Ach nein, bitte jetzt nicht auch noch ein Missverständnis, dachte Kornelius Frey. „Herr Frey, ich komme gerade aus einem Meeting mit Geschäftsführer Neumann. Wie es aussieht, soll unser Nougatriegel noch mal in einer Printkampage erscheinen. Alles super kreativ, alles super ansprechend, alles super dringend. Sie kennen das ja. Und da Geschäftsführer ja immer gerne was ins Wochenende mitnehmen, habe ich ihm zugesagt, dass wir morgen ein kleines Ideenpapier liefern. Na, was sagen Sie dazu? Sie sind ja im Thema und immer früh hier, da können Sie sich gleich mal kreativ austoben!“

Kornelius Frey ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken, guckte Marius Grimm irritiert an und antwortete: „Oh, das muss wohl ein Missverständnis sein …“

(Personen und Handlung sind frei erfunden.)