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Immer (mal) wieder sonntags … lesen Sie in meinem Blog die Management-Spitzen

Ein zufälliges Treffen zwischen Wolfgang P. Kleinkaiser und der Schröder wird zu einer auf­schluss­reichen Begegnung. Und das alles nach der Fusion zwischen Roten und Blauen. Veränderungsmanagement ist gefragt – in den Management-Spitzen Nr. 9 – Fingerspitzengefühl.

An diesem Tag war Wolfgang P. Kleinkaiser wieder einmal so richtig stolz auf sich. Was hatte er in den letzten Wochen nicht alles geregelt. Sicher, er war nicht mehr der Jüngste, aber hatte man ihm nicht vollstes Vertrauen geschenkt, als man ihn nach der Fusion zurückholte und auf seine Führungskompetenz und sein Fingerspitzengefühl vertrauend, ihn mit den schwierigen Change­prozessen beauftragte? Er sollte an der Schnittstelle zwischen den Roten und Blauen agieren und die komplizierten Themen persönlich anpacken. Das war genau sein Ding. Seine Professionalität und Fachkenntnis kamen ihm da sehr zugute. Hatte er nicht schon vor x Jahren gesagt, das Business Partner Modell sei dem Referentenmodell haushoch überlegen? Keiner hatte das hören wollen und nun überboten sich alle bei der Umsetzung dieses Konzeptes.

Zunächst einmal stellte er sich eine schlagkräftige Truppe zusammen, die für ihn die Change­kon­zepte bastelte und Workshops konzipierte und organisierte. Aber die schwierigen Themen behielt er sich noch immer persönlich vor. Und mal ehrlich, bei der Führung von Mit­ar­beiter­gesprächen machte ihm so schnell keiner was vor. Heute hatte er noch zwei, drei Dinge zu klären und dann ging es ab in das verlängerte Wochenende.

Als Kleinkaiser am Ende des langen Ganges die Schröder stehen sah, die sich mit einem ihrer Mitarbeiter besprach, fiel ihm ein, dass er da noch eine open position hatte. Das hätte er ja fast vergessen. Also bewegte er sich in gemäßigtem Tempo auf sie zu. Kleinkaiser war ein großer schwerer Mann, der allein durch seine Leibesfülle Eindruck machte. Leutselig grüßte er nach rechts und links, die Mitarbeiter kannten ihn aus diversen Meetings und dann sprach er die Schröder an. Ob sie nicht einen kleinen Augenblick Zeit für ihn habe. Sie hatte und bat ihn schon mal in ihr Büro. Hier gab es Kuchen und Kaffee, denn der Mitarbeiter auf dem Gang hatte Geburtstag. Man bot auch Kleinkaiser ein Stück an, was ihn sehr freute. Dann fragte er immer noch kauend, ob sie ihm nicht mal kurz ihren Werdegang schildern könne, er habe noch keine Zeit gehabt, sich ihre Unterlagen anzuschauen. Er fand, das war ein sehr wertschätzender und freundlicher Einstieg in das Gespräch.

Die Schröder war ja schon nicht schlecht, bei dem, was die alles schon gemacht hatte. Die wäre in der Tat die passende Kandidatin für die im Zuge der Fusion neu zu besetzende Stelle der Bereichsleitung. Führen konnte sie offensichtlich auch, wie man an der Stimmung im ihrem Team sehen konnte. Aber das ging ja gar nicht. Die Position berichtete direkt an den Vorstand und an diese Schnittstelle wollte man unmöglich jemanden setzen, der von den Blauen kam. Und so erklärte er ihr dann, dass er gar nicht gewusst hätte, wie viele einschlägige Erfahrungen sie mitbrächte und es täte ihm auch leid, aber sie würde wohl verstehen, dass sie nicht zum Zuge kommen würde. Auf dieser wichtigen Position müsse jemand platziert werden, der das volle Vertrauen des Führungsgremiums genieße und da hätte man sich entschieden, eine enge Mitarbeiterin des Vorstandes zu besetzen. Denn eine Frau sollte es schon sein. Zugegebenermaßen hätte diese junge Frau noch nicht eine vergleichbare Berufs- und Führungserfahrung und eigentlich wäre es noch etwas zu früh für sie, zumal sie ja auch familiär stark belastet sei, aber das ginge jetzt nun mal nicht anders. Er hoffe auf ihr Verständnis und ihre Unterstützung. Sie könne ihn immer ansprechen in Fragen, die ihre persönliche Entwicklung betrafen. Das sei doch selbstverständlich.

Die Schröder stand auf, ging zu ihrem Schreibtisch und nahm ein offenbar schon früher vorbereitetes Blatt heraus. Sie setzte ihre Unterschrift und das Datum darunter und schob es ihm über den Tisch. Jetzt saß er da mit seinem Kuchen. Frauen waren aber auch zu empfindlich.

(Personen und Handlung sind frei erfunden.)

Über die Gastautorin:
Julie Richter hat langjährige Berufserfahrung als Personalleiterin und lebt heute als Personalberaterin in der Nähe von Berlin.